19. Oktober 2017

Werkzeuge für nachhaltige Produktivität

Internationale Normen:
Wer schraubt, muss qualifiziert sein

Wer in der Schraubmontage tätig ist, muss spezifisch geschult und qualifiziert sein. Nicht nur, weil die Montagequalität sehr stark von der Kompetenz des Mitarbeiters abhängt – selbst bei einfachen Verschraubungen. Die Anforderungen an das Personal sind in zahlreichen nationalen und internationalen Normen und Richtlinien festgelegt. Ende August ist dazu der Entwurf der VDI-Richtlinie 2637 erschienen. Ein Überblick von Atlas-Copco-Experte Markus Fischer.

Personal, das an Schraubmontage-Prozessen beteiligt ist, muss spezifisch und regelmäßig qualifiziert werden – insbesondere bei kritischen Anwendungen. Die entsprechenden Anforderungen sind erstmals in einer eigenen Richtlinie gebündelt worden, und zwar im Entwurf der VDI/VDE 2637 Blatt 1 – Qualifikation in der Schraubtechnik; Bedarfsgerechte Qualifikation für Mitarbeiter und Führungskräfte, der am 21. August veröffentlicht wurde. An dieser Norm haben der Deutsche Schraubenverband (DSV) und VDI/VDE erstmals zusammengearbeitet. Doch auch unabhängig davon gab es bislang schon zahlreiche Richtlinien, die mehr oder weniger deutlich auf die Qualifikation zielen. Im Folgenden sollen einige Beispiele herausgegriffen werden.

Dass Mitarbeiter aus der Konstruktion oder Montageplanung im Umfeld der Schraubverbindung und der Montage eine spezielle Ausbildung benötigen, wird den meisten angesichts der Komplexität der Materie noch als selbstverständlich erscheinen. Viele vergessen jedoch, dass die erreichbare Montagequalität sehr stark von der Kompetenz des Mitarbeiters abhängt. Das gilt selbst bei so vermeintlich einfachen Montagewerkzeugen wie einem handbetätigten, mechanisch auslösenden Drehmomentschlüssel. Diesen Umstand unterstreicht seit Juli 2017 die komplett neue DIN EN ISO 6789in ihrem neuen Blatt 2, wenn sie unter anderem auf deutliche Drehmomentschwankungen eingeht, die sich aus der längenbezogenen Positionsschwankung des Lastangriffspunkts – sprich, aus Griff und Handling des Mitarbeiters – ergeben.

Moderne Schraubtechnik mit seinen vielfältigen Mess- und Analysemöglichkeiten, so könnte man meinen, müsste hier weniger anfällig sein. Jedoch muss der Bediener die gelieferten Systeminformationen auch entsprechend interpretieren können. Und: War denn die Person, die das Montagesystem parametriert hat, überhaupt kompetent? Eine fachspezifische, bedarfsgerechte und nachhaltige Qualifikation ist daher in allen Bereichen die direkt oder indirekt mit der Schraubtechnik zu tun haben, dringend anzuraten. Viele Normen und Richtlinien, die in den letzten Jahren erst veröffentlicht wurden, sowie viele, die in diesem Jahr und 2018 erschienen sind oder erscheinen werden, unterstreichen dies eindrücklich. Die entsprechenden Dokumente und Hintergründe sollen hier vorgestellt und kurz erläutert werden.

Im Bereich der Produktsicherheit ist die Qualifikation der involvierten Mitarbeiter eine Mindestanforderung.

Nicht ohne Grund gibt es entsprechende Anforderungen an Fachpersonal bei anderen Fügeverfahren teils schon seit Jahrzehnten, wie den Europäischen Klebfachingenieur und den Schweißfachtechniker, um nur zwei zu nennen. Aber auch beim Schrauben als Fügeverfahren verlangt zum Beispiel die DIN EN 1591-4, nicht erst seit der Überarbeitung 2013, eine zertifizierte Qualifizierung für planendes (berechnendes, auslegendes) und montierendes Personal von Schraubverbindungen in druckbeaufschlagten Systemen im kritischen Einsatz. Im Bereich der Schienenfahrzeuge und deren Komponenten wird explizit darauf hingewiesen, dass das Montagepersonal in regelmäßigen Abständen zu schulen ist und die Montage sicherheitskritischer Schraubverbindungen nur durch speziell dafür geschultes Personal durchgeführt werden darf (DIN 25201-7:2010: Konstruktionsrichtlinie für Schienenfahrzeuge und deren Komponenten – Schraubenverbindungen – Teil 7: Montage). Forderungen, die man nahezu identisch in Richtlinien des Maschinen- und Anlagenbaus sowie für die Automobilindustrie findet (z. B. VDI/VDE 2862 Blatt 1 und 2). Dies wird auch durch allgemeine Richtlinien wie die VDI 4500 Blatt 1 zur Technischen Dokumentation bestätigt, wenn es dort, bezugnehmend auf die Gesetzeslage, heißt: „Das Entstehen, Produzieren und Nutzen von Produkten ist an eindeutige Qualifikationen der Unternehmen und der verantwortlichen Mitarbeiter gebunden …“ Gründe, warum man seine Mitarbeiter gerade in kritischen Bereichen qualifizieren und das auch dokumentieren muss, gibt es viele.

Hier soll lediglich auf die Hintergründe in Bezug auf das Produktsicherheitsgesetz eingegangen werden (siehe Abbildung 1). Dieses besagt unter anderem, dass ein Hersteller nur sichere Produkte in den Verkehr bringen darf. Um dazu zum Zeitpunkt der Auslieferung auch den Beweis antreten zu können, bedarf es einer Nachweisführung. Solch ein Beweis kann dann zur behördlichen Zulassung benötigt werden – oder eben zur Entkräftung eines möglichen Vorwurfs, wie Fahrlässigkeit oder Vorsatz, der von Behörden oder der Rechtsprechung erhoben werden kann.

In der kommenden VDI/VDE 2637 werden erstmals Anforderungen an eine bedarfsgerechte Qualifikation für Mitarbeiter und Führungskräfte formuliert.